‘Buddha-Natur, Menschen-Natur‘ ist ein Buch über unsere Umwelt und die Auswirkungen, die der Buddhismus auf diese gehabt hat und weiterhin haben kann. Die Idee, ein solches Buch zu schreiben, entstand anlässlich der Teilnahme an einer Vipassana-LehrendenKonferenz im Jahr 2013 im Meditations-Zentrum Spirit Rock in Kalifornien. Zu dieser Konferenz gehörte auch ein aufrüttelnder Vortrag über den Klimawandel und seine aktuellen und vorhergesagten Auswirkungen. Wir Lehrenden blieben dann mit der Frage zurück: Da wir in der Lage sind, andere anzusprechen, gibt es etwas, was wir tun können, um das Bewusstsein dieser drohenden Katastrophe bei unseren Meditierenden zu fördern? Gibt es irgendeine Möglichkeit, wie wir dazu beitragen können, den zukünftigen Menschen den Vorteil einer gesunden Umwelt zu ermöglichen? Einige von uns haben sich dazu verpflichtet so zu lehren, dass die Ausweitung der ethischen Grundsätze auch zur Verantwortung für die Erde ermutigen soll. Zusätzlich dazu kam ich zum Schluss, dass das Schreiben eines Buches über das Thema eine größere Reichweite bieten würde. Ich hatte mich bereits 1989, im Zusammenhang mit der Broschüre ‘Buddha-Natur‘, die ich für die Interreligiöse Versammlung über Religion und Umwelt in Canterbury, England, produziert hatte, mit Umweltthemen beschäftigt. Deshalb schien es zuerst, wie wenn lediglich eine Aktualisierung des vorhandenen Materials notwendig sei. Tatsächlich aber brauchte es viel mehr als das, denn selbst die begrenzten Forschungen, die ich durchgeführt hatte, offenbarten eine Weltanschauung, welche sowohl eine Eskalation der Umweltzerstörung unterstützte, als auch unempfindlich gegen globale Proteste und wissenschaftliche Beweise zu sein schien.
Mit seinen handschriftlich verfassten Dhamma-Reflexionen inspiriert Ajahn Jayasāro jede Woche eine große und wachsende Leserschaft weltweit. Sowohl die äußere Form als auch die Art der inhaltlichen Vermittlung der buddhistischen Lehre gelten als außergewöhnlich. Sie sind weise und intelligente Impulsgeber. Sie bieten Orientierung und Hilfestellung sowohl für Neueinsteiger als auch erfahrene Praktizierende.
Mit der vorliegenden Übersetzung ist es erstmals gelungen, einen ausgewählten Teil der Reflexionen auch in deutscher Sprache zugänglich zu machen.
Lasst uns die Idee der Konzentration, oder samādhi, betrachten. Wenn du diese vier kleinen Silben hörst, Kon-zen-tra-tion, was bedeuten sie für dich? Möglicherweise brauchst du ein paar Augenblicke, um das in Worte zu fassen, aber du spürst vielleicht sofort, wie eine bestimmte Art von Energien die Oberhand zu gewinnen beginnt. Du hast wahrscheinlich das Gefühl, dass du etwas tust und dich anstrengst, um es richtig zu machen. Das ist der übliche Ansatz. Wir reißen uns zusammen, spannen uns an und machen uns an die Arbeit. Das ist ein hartes Training, sozusagen ein „Konzentrationscamp“. Bloß nicht schlappmachen! Mit dieser Einstellung kurbeln wir unsere Kontrollmechanismen an, die Pflichtmechanismen, die Arbeitsmechanismen und die „Mach-es-richtig“- Mechanismen. Und schon ist der Stress da. Eine Spannungsfalte beginnt sich über deine Stirn zu legen.
Nun mögen solche Haltungen und Taktiken eine Zeit lang funktionieren – doch schon nach wenigen Tagen fangen wir an, müde zu werden. Irgendetwas in uns spannt sich an, während gleichzeitig etwas anderes in uns wahrscheinlich sagt: „Ach, was soll‘s!“ Wir wollen ein bisschen Freude erleben, also halten wir nach legitimen Möglichkeiten Ausschau, um „die Praxis“ zu umgehen. Unser Herz braucht Nahrung, und wenn wir unser Glück und unsere Leichtigkeit nicht in der Dhamma-Praxis erfahren, dann werden wir sie uns woanders holen. Wir lesen etwas, essen etwas oder machen einen Spaziergang, um uns zu entspannen. Was aber, wenn samādhi eine Wohltat wäre, gar mit dem angenehmen Gefühl einherginge, sich „zu Hause“ zu fühlen? Was, wenn es bei samādhi darum ginge, sich in einem geeinten Zustand einzurichten? Schließlich wird es in den Schriften als „Sammlung“ definiert.* Und so wie der Buddha es darstellte, ist samādhi Herzensnahrung, und seine unmittelbare Ursache ist Wohlbefinden – das Wohlbefinden, das aus dem Loslassen von Stress entsteht.
[...] Wir können uns äußerst glücklich schätzen, dass der Buddhismus im Westen noch so neu ist. Viele Leute haben bereits darüber reflektiert, dass dies „die guten alten Zeiten“ sind. In 100 Jahren werden wir einen buddhistischen Präsidenten haben, es wird große finanzielle Zuwendungen von Gönnern geben und der Buddhismus wird institutionalisiert sein. Die Leute werden zu Buddhisten, um auf der sozialen Leiter nach oben zu kommen, und die glorreichen Tage werden vorbei sein. Wir können also froh sein, den Buddhismus zu praktizieren, ehe er zu einem Teil der sozialen Norm wird. Heutzutage Buddhist zu sein, bedeutet eine Randerscheinung zu sein. Im Grunde genommen besteht sehr wenig sozialer Wert darin, Buddhist zu sein. Einer der größten Nachteile in Asien Mönch zu sein, besteht darin, dass uns die Leute automatisch einen Wert zugestehen, weil wir geschorene Köpfe haben und Roben tragen. Die Menschen in Asien denken, dass wir etwas Besonderes sind, während man uns im Westen lediglich als Verrückte ansieht. Man ruft uns auf den Straßen alle möglichen Dinge nach. In England klingt das normalerweise so: „Skinhead! Hari Krishna!“ oder: „Allo Ari!“
Dieses Zusammenkommen unterschiedlicher spiritueller Ausdrucksformen, in welchem sowohl ein Verständnis der religiösen Formen als auch eine Bindung daran existiert, ist wirklich kostbar. Aber innerhalb dieses unterstützenden Kontexts besteht immer auch die Herausforderung, darüber hinaus zu sehen – die Form zu benutzen und sie gleichzeitig zu durchschauen. Wir sollten fähig sein, uns der Konvention zu bedienen und sie schlicht als das zu benutzen. Innerlich müssen wir vollkommen frei sein, ohne Begrenzungen; wir müssen alles loslassen. Nach außen hin müssen wir wirklich strikt und korrekt sein, der Routine folgen und alles den Regeln entsprechend ausführen. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es eine Weile dauert, ehe man die wahre Bedeutung davon zu schätzen weiß.